Komplize Göttingen

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Komplizendörfer für Grone

beschränkter Wettbewerb 3.Preis, studiopenta, Fehlig Moshfeghi Architekten, Gartenlabor Bruns

Jahr: 2022
Typ: Städtebau, Quartiersplanung, Freiraumplanung
Größe: 7,5 ha
Bauherr: Stadt Göttingen

Städtebauliche Idee

Die Herausforderungen für künftige Stadt- und Wohnquartiere gehen weit über die effiziente Anordnung von Nutzungen mit rein renditeorientierten Zielen hinaus. Es müssen vielmehr Antworten auf die anstehenden dringenden Fragen nach Klimagerechtigkeit und Klimaresilienz, Nachhaltigkeit und Suffizienz, aber auch nach stärkerer Ortsidentität beantwortet werden. Jede Siedlung braucht eine Seele, als ein Gefühl der Gemeinschaft und Zusammengehörigkeit. Dieses gestärkte Wir-Gefühl bezeichnen wir hier als „Komplizen“ des Zusammenlebens. Entsprechend der Lage und der synthetischen Verbindung von Siedlung und Landschaft, verfolgt die Grundidee eine maßstabsgerechte Anordnung von fünf Wohnquartieren mit Community-Hub um einen Quartiershof sowie ein Auftaktbaufeld mit Kita, Sondernutzung und den Bestandsbauten. Eingebettet bleiben die einzelnen Bausteine in einen umfließenden Quartierspark als omnipräsenten Landschafts- und qualitativen Naherholungsraum. Hierbei verteilen sich die sechs Baufelder gleichmäßig nördlich und südlich des zentralen Quartiersparks als Frischluftzone und geben dieser eine räumliche Fassung. Die fünf kleinen „Komplizendörfer“ funktionieren in ihrem leichten topografischen Spiel zur Mitte hin wie eine natürliche Warft, sodass auch bei Hochwasserereignissen keine Gefahr besteht. Alle Baufelder werden durch ein übergeordnetes Fuß- und Radwegenetz untereinander und darüber hinaus mit der Nachbarschaft und dem überregionalen Radwegenetz verbunden.


Die Komplizen und ihre Typologien

Mit einem dorfähnlichen Charakter und einem zentralen autofreien Gemeinschaftshof, von dem alle Häuser ringförmig erschlossen werden, entsteht innerhalb der Nachbarschaften ein Ort der Begegnung mit Flächen für Austausch, Spiel und gemeinsame Feste. Der zentrale Hof ist das „Lagerfeuer“ jedes Komplizen, bietet eine klare eine Orientierung sowie Adressierung und verhindert Segregation und Vereinzelung. Gleichzeitig erhalten alle Häuser und Wohnungen einen unbebauten Blick ins Grüne und einen direkten Zugang zum umgebenden Naturraum. Im süd-östlichen Auftaktbaustein werden die beiden Bestandsbauten mit dem Denkmal durch einen Ergänzungsneubau gefasst und schaffen einen einladenden Quartiersauftaktplatz mit einer öffentlichen Sondernutzung. Dahinter befindet sich, gut erreichbar, die Kita mit großzügiger Außenfläche. Jede der Komplizen erhält unmittelbar am Eingang einen Community-Hub in der zusätzlich zu dem ruhenden Verkehr auch Räumlichkeiten für gemeinschaftliche Nutzungen eingeplant sind. Zudem beherbergt das Community-Hub die zentrale Energieversorgung. Im weiteren Verlauf kann durch die modulare Bauweise, je nach Vorlieben und Raumbedarf der Bewohnerschaft eines Komplizendorfes, der Schwerpunkt des Community-Hubs verlagert werden. Mehr Carsharing und somit weniger Stellplätze schaffen mehr Gemeinschaftsraum – eine größere Fahrradwerkstatt, eine Tischlerei, oder flexible Arbeitsplätze, um aus dem Home-Office rauszukommen. Durch diese Individualisierung wird eine eigene Identität der einzelnen Quartiere gefördert. Jeder künftige Bewohner soll an seiner gebauten Umwelt mitgestalten können. Alle Bewohner werden an einem Partizipationsverfahren beteiligt und können inhaltliche und gestalterische Ideen mit einbringen, sodass am Ende jede Komplizenschaft eine eigene individuelle Identität erhält. Die überschaubare Komplizengröße pro Baufeld erlaubt eine umsetzbare Entscheidungsfähigkeit. Die Quartiersidentität wird zusätzlich mit dem Gedanken der Selbstversorgung gestärkt. Zwischen den einzelnen Bausteinen werden Flächen für Urban Farming geschaffen, in der die Bewohner Platz für ihre individuelle Entfaltung erhalten. Die Erzeugnisse können dann im zentralen Community-Hub im Auftaktbaufeld veräußert werden. Somit wird der Gemeinschafts- und Produktionsgedanke auch nach außen getragen und sichtbar. Die nicht unterkellerten Bausteine der neuen Quartiere werden in modularer Bauweise errichtet und bestehen weitestgehend aus nachwachsenden Rohstoffen und sind überwiegend rückbaubar. Der Community-Hub ist ebenfalls in modularer Bauweise konzipiert und erlaubt durch sein flexibles Konstruktionsraster eine ressourcenschonende Transformation von einem oberirdischen Parkhaus zu einem Gemeinschaftshaus. Auftakt hierfür ist der am Community-Hub zum zentralen Quartiersplatz orientierte Kopfbau, welcher Gemeinschaftszonen, Co-Working Spaces und die zentrale Energieversorgung beinhaltet. Die Idee ist eine nutzungsoffene Struktur im Besitz der Gemeinschaft, als Möglichkeitsraum kollektiver Projekte. Die ringförmig um den zentralen Platz angeordneten Bausteine sind in ihrer Gebäudetiefe so gewählt, dass auch problemlos zwischen den Typologien Reihen- oder Mehrfamilienhaus getauscht werden kann, ohne dass es Auswirkungen auf das anstehende Bauleitverfahren hat. Die Gebäudehöhen variieren zwischen zwei bis drei Vollgeschossen. In wenigen Punkten werden viergeschossige Bauten zwecks Akzentuierung angeboten. Ziel der kompakten Bauweise ist eine geringstmögliche Versiegelung des Baulandes zu erzielen. Gleichzeitig jedoch flexible und qualitativ hochwertige Wohnungen zu garantieren.
Die insgesamt 6 Baufelder können durch ihre autarke Erschließung von Norden bzw. Süden unabhängig voneinander zeitlich und logistisch realisiert werden. Somit ist die Differenzierung zwischen privater Bauträger, Baugemeinschaft oder stätischer Realisierungsträger flexibel und auch nach Zuschlag anpassbar. Zudem sind die Baufelder so angeordnet, dass das Auftaktbaufeld mit der Kita und der Sondernutzung zunächst als Reiterhof verbleiben kann.