Welt der Versuchungen Erfurt

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Ausstellungshaus Welt der Versuchungen, Erfurt

beschränkter Wettbewerb // mit Gartenlabor Bruns

Jahr: 2024
Typ: Kultur
Größe: 3.800m2 BGF
Bauherr: Stiftung Welt der Versuchungen Erfurt, Stadt Erfurt

Leitidee & Entwurfsgedanke

Das neue Haus der Welt der Versuchungen ist kein Museum. Es ist ein Inkubator für die interdisziplinären Potenziale aus Kunst und Wissenschaft, gesellschaftlicher Inklusion und demokratischer Teilhabe im Rahmen der Topoi von Suchtprävention und Drogenkonsum. Diese Vision transformiert sich damit in eine Architektur, die sich zunächst an die strukturellen Ideen von Werkstätten anlehnt. Dienenden Räumen als Funktionsspange wird ein offener Raum auf drei Ebenen vorgestellt, der durch ein Atrium verbunden wird. Die funktionale Trennung schafft ein höchstes Maß an Funktionsoffenheit und Potential der Aneignung. Das robuste Gerüst tritt dabei in seinem Ausdruck zurück, will nicht Gestus sein, sondern nur Raum.

städtebauliche, freiraumplanerische und baukörperliche Einbindung in die Umgebung

Unter dem Leitgedanken einer Adresse für das Ausstellungshaus Welt der Versuchungen in Erfurt entsteht ein markanter neuer Stadtbaustein am nördlichen Stadteingang in Erfurt. Im Sinne eines Palimpsests antwortet der neue zweigliedrige Stadtbaubaustein als neue Zeitschicht auf diesen morphologisch heterogen entstandenen Ort. Nach Westen bildet sich ein massiver, robuster, steinerner Rücken und damit ein Gegenüber zur freigelegten raumbildenden Brandwand als fragmentarisches Zeugnis der Geschichte des Ortes. Nach Osten wiederum rückt der neue Solitär zurück, begleitet den Stadtraum und gibt einen großzügigen nord-südlichen Platz frei. Gleichbedeutend sowohl vom historischen Zentrum südlich als auch von Norden kommend, wird dieser Raum zum Verbinder und Ort des Ankommens und Verweilens. Zu diesem zeigt sich der Neubau wiederum als markante architektonische Geste in silbrigem, transluzenten sich veränderndem Kleid.

Der neue Museumsplatz am Hügel gliedern sich in offene Platzflächen vor dem Foyer mit Café, dem Atriumbereich sowie offene Grüninseln und offenporigem Pflasterbereich. Die Grüninseln werden dabei zu großzügigen Frischluftinseln mit einem Erholungswert für die gesamte Stadtgesellschaft. Neue Baumplanzungen ergänzen hierbei auf den Grüninseln die erhaltenswürdigen Bäume wie unter anderem die nördlichen ortsprägende Pappeln und Linden. Die Verkehrsflächen und erweiterten Platzflächen sollen zukünftig als gemeinsamer Shared Space entwickelt werden, wobei dem Rad- und Fußgängerverkehr eine klare Priorität zukommen soll. Das als 30er Zone ausgewiesene Gebiet mit einer Fahrbahnzonierung von 6m wird durch eine Bushaltestelle am Museumsplatz ergänzt sowie beidseitigen separaten Gehwegen. Bei Bedarf können Randbereiche perspektivisch mit Längsparkern ergänzt werden. Der als offen gestaltete Platzbereich zoniert sich durch die Grüninseln, lässt jedoch durch den zusammenhängenden Bodenbelag den gesamten Bereich in ein gemeinsames Raumgefüge umwandeln.

Gestalterische und konstruktive Qualität des Entwurfs

Das Herantreten sowie Erschließen des neuen Hauses werden dann zum räumlich visuellen Erlebnis. Ein Kleid aus verchromten in Teilen perforiertem Metall stellt in einfacher Weise einen polysemantischen Zustand der Veränderung und Raumwahrnehmung her und tritt in differenzierter Weise in Kommunikation mit dem Stadtraum. Im Ankommen und Hinaufschreiten verändert sich das Raumerlebnis des Besuchenden. Der Zustand der Klarheit und Transluzenz wird im ersten Obergeschoss in eine diffuse Beziehung zwischen Innen und Außen gekehrt sowie im zweiten Geschoss zum introvertierten auf sich bezogenen Raum. Räumliche und architektonische Motive der Gegenüberstellung von Klarheit und Ordnung der räumlichen Idee auf der einen Seite (Rücken und offener Raum) sowie Veränderung, Überlagerung und Brüche im architektonisch, materiellen Gefüge provozieren eine tiefergehende Reflektion über die Ambiguität von Sucht und Versuchung abseits eine stereotyper Zuschreibungen.

Der Museumsvorplatz ist zentraler Ort des Ankommens und Verteiler zu allen Funktionen für die Besuchenden des neuen Ausstellungshauses. Das Erdgeschoss öffnet sich dabei als schwellenloser Raum zum Museumsvorplatz. Die dortigen Funktionen wie das Foyer mit Café, das zentrale Atrium sowie der südliche Workshopbereich lassen sich damit bewusst zur Stadt öffnen und verbinden sich nicht nur in den Sommermonaten zum Museumsvorplatz als öffentlicher Raum für die gesamte Stadtgesellschaft. Alle Funktionen im Erdgeschoss sind direkt an die hintere Funktionsspange angebunden, in der neben der Haupterschließungen der oberen Geschosse alle dienenden Räume wie die Garderoben, Sanitäranlagen sowie Veranstaltungslager erschlossen werden. Die gesamten infrastrukturellen Funktionen des Ausstellungshauses sind in der Funktionsspange organisiert. Der Personaleingang, die Anlieferung sowie die Lager verbinden sich somit direkt mit den darüber liegenden Geschossen, wo die Verwaltung sowie die Kunstdepot angeordnet sind. In der kompakten Gliederung eines „Funktionsrückens“ kann in optimierter Weise die Erschließung des gesamten Gebäudes organisiert werden. Somit wird der Rücken funktionales, infrastrukturelles und technischen Rückgrat des gesamten Gebäudes.

Der Raum davor wird vom Erdgeschoss bis zum zweiten Obergeschoss folglich zum freien offenen Raum. Flexible Trennwände sowie die Bespielung je nach Kuration des jeweiligen Ausstellungskonzeptes, verändern den Raum und lassen vielfältige Nutzungsszenarien zu. Von der klassischen Ausstellung bis zu vielfältigen Workshopformaten oder performativen Formaten ist alles möglich. Die teilklimatisierten ergänzenden Ausstellungsräume in der Rückenspange – mit jeweils 80 – 90qm auf beiden Obergeschossen -, ergänzen die davor liegende Ausstellungsfläche für klimatisch schützenswerte Materialien und Exponate. In gleicher Weise wird das Kunstdepot im zweiten Obergeschoss in der Rückenspange zum potenziellen Schaudepot für die Besuchenden.

Die Fassade aus verchromtem und teils perforiertem Wellblech, spiegelt die Umgebung leicht und gibt ein verzehrtes Abbild der Umgebung wider. Gleichzeitig lassen die perforierten Bereiche ein kontrolliertes Streulicht in die Ausstellungsräume und ermöglichen den Besuchenden einen Blick nach außen. Der so erzeugte Charakter des Raumes beeinflusst wiederum die Potentiale der Aneignung. Jedes Geschoss hat dabei seine eigene Sprache. Sie spiegeln das Ein- und Abtauchen des Besuchenden in die Ausstellung innen wie außen wider. Das Erdgeschoss tritt mit dem Atrium, dem Workshop, Foyer und Café in direktem Kontakt mit der Öffentlichkeit. Das oberste Geschoss wird zur flexiblen Ausstellungsfläche für Dauer und Sonderausstellungen mit kontrolliertem Licht von oben. Das erste Obergeschoss wird zum Hybrid aus diesen beiden Welten und zur Schnittstelle aus klassischer Ausstellung und Ort des Austausches und Performanz.

Nachhaltigkeit, Konstruktion & Materialität

Ausgangspunkt ist die Idee eines einfachen, nutzungsoffenen, langlebigen Hauses. Dabei bildet der Grundriss mit seiner klaren Teilung aus einem funktionalen, dienenden Rücken in Massivbauweise sowie dem davor liegenden offenen Raum in Skelettbauweise, das Fundament einer bedarfsorientierten und Architektur sowie einer suffizienten Konstruktion.

Die Kubatur und Konstruktion gliedern sich dabei grundsätzlich in zwei Bereiche, ähnlich einem klassischen Industriebau. Die massive, aussteifende Funktionsspange als gemauerter Körper, beherbergt mit den Bereichen der Anlieferung, Lager, Verwaltung, klimatisierten Räume sowie den Technikflächen alle technisch anspruchsvollen Räume. Der offene Ausstellungsraum davor ermöglicht mit seiner offenen Stahlbeton-Skelettbauweise aus Stütze und Kassettendecke, größtmögliche Flexibilität und lässt somit jede mögliche perspektivische Raumaufteilung flexibel realisieren. Entsprechend Ihrer jeweiligen Konstruktionsweise zeigen sich beide Gebäudeteile auch nach außen. Rückseitig zur Wohnbebauung tritt der Baukörper robust mit seinen Lochfenstern in Erscheinung, während die Skelettbauweise durch die leichte, vorgehängte Fassade die offene Kommunikation mit dem Stadtraum sucht. Das Gebäude soll dabei ressourcenschonend errichtet und möglichst selbstversorgend betrieben werden – im Sinne eines Low-Tech Gesamtkonzepts. Hierbei kann die Dachfläche des Neubaus sowohl zur Energieversorgung durch PV-Module als auch durch Regenwasserretention zur Grauwasserversorgung im Gebäude genutzt werden. Der Logik der rückseitigen Versorgungsspange folgend, wird hier die benötigte Technik verortet sowie in kompakter Leitungsführung vertikal in die Bereiche mit besonderen gebäudetechnischen Anforderungen wie das Kunstdepot, die klimatisierten Ausstellungsflächen sowie die Verwaltung verteilt. Der Einsatz von technischer Gebäudeausrüstung sowie Versorgungssträngen wird somit auf ein Minimum reduziert und möglichst kompakt gehalten.